Andre über die Schulter geschaut
Hallo, ich bin Andrè und bin Betriebsleiter in einer Thüringer Sauenanlage.
Das heisst, mit meinen Mitarbeitern sorge ich dafür, dass Ferkel geboren und aufgezogen werden. Wenn Sie Fragen haben, können Sie diese gern an uns stellen, wir kennen uns über Schweine bestens aus.
Tag 0 – die Ferkel werden geboren
Das ist der Tag, an dem unsere Ferkel von der Muttersau geboren werden und das neue, jungen Leben unserer Ferkel beginnt. Dazu haben wir extra Ställe ausgerüstet, die sogenannten Abferkelställe. Vergleichbar ist dies mit einem Kreissaal. Die Ferkel kommen, wenn sie geboren werden, aus dem sterilsten Raum überhaupt, der Gebärmutter. Sie kommen in eine Welt, in der es Bakterien gibt, die zum Leben dazu gehören. Trotzdem, der Landwirt hält diesen Kreißsaal
besonders sauber und auch zu jeder Zeit von fremden Menschen und Tieren frei. Egal, wie groß oder klein diese Räume auch sind, sie müssen immer in einen hygienisch einwandfreien Zustand sein. Das dient dem Schutz des neugeborenen Lebens. Genauso wie der Ferkelschutzkorb, der eingerichtet wurde, damit die Sauen nicht ihren Nachwuchs erdrücken.
Wenn man in einen Abferkelstall schaut sieht man, dass jede Sau einzeln für sich steht. Die Muttertiere sehen einander und können auch mit einander kommunizieren. Wenn sie in den Stall gebracht werden, das ist ungefähr eine Woche vor dem voraussichtlichen Geburtstermin, sind sie aber nur froh, wenn sie ruhen und fressen können, denn die Bäuche sind sehr dick. Es ist wichtig, dass in den Abferkelabteilen vor oder nach der Geburt möglichst viel Ruhe besteht und diese nur von wenigen Personen betreut werden.
Die ersten Tage im Leben eines Neugeborenen sind wichtig für einen erfolgreichen Start in das Leben. Ob beim Mensch oder beim Schwein, das junge Lebewesen braucht die Nahrung und die Zuneigung der Mutter. Diese Punkte sind ausschlaggebend für ein erfolgreiches Leben.
Auch wenn die Ferkel bei der Geburt recht klein sind, denn sie wiegen ungefähr 1,5 kg, haben die Sauen während der Geburt auch Schmerzen, weil sich die Gebärmutter zusammenzieht, um die Ferkel gebären zu können. Man kann an dem Verhalten der Sau gut erkennen, wann es mit der Geburt losgeht. In diesem Zeitfenster versuchen wir, dass unsere geschulten Mitarbeiter rund um die Uhr im Stall sind. Denn es ist ähnlich wie bei der Geburt von Babys, geht Irgendetwas nicht reibungslos ist das für das noch ungeborene Lebewesen eine große Gefahr. Wenn die Ferkel geboren wurden, werden sie durch unsere Mitarbeiter trocken gerieben und auch gleich ans Gesäuge gesetzt, wenn sie es nicht schon von allein gefunden haben. Es ist immer wieder beeindruckend, mit welcher Energie die kleinen Wesen die Zitzen der Mutter finden und wissen, was sie tun müssen: saugen. Wenn sie satt sind und schlafen wollen, steht den Neugebeorenen ein warmer Schlafplatz zur Verfügung. Sie müssen nur ein kleines Stück laufen und finden diese warmen Plätze sehr schnell.
Die ersten fünf Tage sind die wichtigsten
Die Ferkel werden von der Mutter ernährt, d.h. sie trinken nur Milch. Die Muttersau ist in dieser Zeit der Dreh- und Angelpunkt ihres Nachwuchses. Die kleinen Tiere stellen selbständig eine Rangordnung am Gesäuge her, d.h. die stärksten Ferkel bekommen auch die besten, milchreichsten Zitzen . Dieses Verhalten werden sie in ihrem Leben nicht wieder verlieren. Das kann man sogar noch später in der Ferkelaufzucht und Mast weiter beobachten. Diese Ordnung, die unter den Geschwistern besteht, sollte man so wenig wie möglich stören. Natürlich gibt es immer wieder Situationen, in denen man diese natürliche Konstellation ändern muss, aber dann tut man das zum Schutz der Ferkel.
Nach den ersten fünf Tagen haben sich die Ferkel und die Sau gut aneinander gewöhnt und auch die Sauen im Stall haben sich aneinander gewöhnt. Man kann in einer ausgeglichenen Herde sehen, dass Sauen zusammen säugen lassen. Dafür legen sich die Sauen auf die Sauen und äußern gleichzeitig bestimmte Rufe, die ihre Ferkel zum Gesäuge locken. Dies ist für die Abläufe und Ruhe im Stall äußerst wichtig. Es verhindert, dass Sauen erschrecken und ihre Jungtiere möglicherweise erdrücken, weil sie plötzlich hinwerfen. Es ist bemerkenswert wie liebevoll die Sauenmütter mit ihren Saugferkeln umgehen. Daran bemerkt man, dass auch der Umgang mit den Sauen Ruhe und gute Pflege benötigt.
Hat das Ferkel in der ersten Lebenswoche genug Milch zu sich genommen und Fürsorge der Sau erlebt, erkunden die Ferkel sehr selbständig die Umwelt. Das ist wichtig für die Zeit in der Ferkelaufzucht (Kindergarten). Man bietet den Ferkeln nach und nach Wasser und Futter an, damit sich ihr Magen auch an weitere Nahrungsmittel gewöhnt.
Die Ferkel mögen es miteinander zu spielen, streiten und mit einander zu kuscheln. Dies kann man gut beobachten, wenn man die Tiere beobachtet. Deshalb legen wir auch große Wert darauf, dass unsere Tierpfleger ausgeglichen und ruhig sind und gut mit den Tieren umgehen. Es ist auch üblich, dass stets die gleichen Personen diesen Bereich betreuen.
Tag 28, die Ferkel werden abgesetzt
Nachdem die Ferkel vier Wochen bei ihrer Mutter verbracht haben und zu properen Tieren von rund 8 kg herangewachsen sind, werden sie in eine neue Umgebung, den Ferkelaufzuchtstall gebracht. Das bringt natürlich sehr viele Veränderungen und auch Aufregung mit. Es passiert so viel an diesem Tag: die Trennung von der Mutter, keine Muttermilch mehr zum Satttrinken, ein neuer Stall, neue Buchtenkameraden, neue Wasserversorgungstechnik, neue Fütterungstechnik, neues Stallklima und die ungewohnte Umgebung zu. Das alles ist anstrengend. Deshalb ist es umso wichtiger, den Ferkeln die Umgewöhnung so einfach und unkompliziert wie möglich zu machen. Schweine sind zwar sehr lernfähig und schlau, aber gerade wenn viele neue Eindrücke auf die Ferkel einwirken, kann das manchmal nerven. Die Ferkel haben in der Ferkelaufzucht auch niemanden, der ihnen zeigt, wie etwas funktioniert wie z.B. Fütterung, Saufen, Schlafplatz usw.
Wir versuchen durch unsere Arbeit im Stall, den Tieren diese Punkte zeigen, damit sie weiterhin gut leben können. Als gutes Beispiel für das lernende junge Tier ist: Wenn ein kleines Kind nie gelernt hat wie man eine Banane isst, weiß es nicht, dass man die Schale entfernt. Es würde die Banane mit Schale essen und merken, dass diese nicht schmeckt. Es würde keine Banane wieder freiwillig essen bevor es nicht weiß wie man sie essen soll. Ein Kind dem gezeigt wurde wie man Bananen isst weiß, dass man die Schale abmachen muss auch wenn es noch keine Kraft dafür hat. Das Kind würde niemals in die Schale beißen. Wir sehen, wenn dem Kind etwas nicht gezeigt wurde weiß es auch nicht wie etwas funktioniert. Genauso ist es bei Ferkeln, sie lernen schnell aber sie müssen es lernen und wissen es nicht von jetzt auf gleich. Dies muss man verstehen um eine erfolgreiche Ferkelaufzucht zu garantieren. Deshalb ist es wichtig, dass alle Mitarbeiter, die sich um die Ferkelaufzucht kümmern, diese ersten Tage auch sehr häufig im Stall sind und den Jüngsten zeigen, worauf es ankommt, ohne Hektik.
Dieser Anlernprozess des Anlernens der Ferkel ist sehr wichtig. Vergleichen kann man die ersten Tage in der Ferkelaufzucht mit dem Kindergarten. Die Ferkel haben ihre Mutter nicht mehr um sich. Die Ferkel werden in die Obhut von Fremden
gegeben. Die Kindergärtner/innen müssen sich liebevoll um die Kleinen kümmern und nicht nur das, sie müssen die Kinder fordern und fördern um neue Fähigkeiten zu erlernen. Diese brauchen sie dringend für ihr weiteres Leben und Überleben. Bei den Ferkeln ist es wie geschrieben sehr ähnlich. Die Ferkelaufzucht kann meiner Meinung nach in 2 Bereiche unterteilt werden. Es gibt einen ersten Bereich, den sogenannten Kindergarten
und den zweiten Bereich die sogenannte Schule
. In der Schule müssen die Tiere ihr Erlerntes weiter entwickeln. Das heißt umso intensiver die Betreuung der jungen Tiere ist, desto einfacher wird es das Tier später haben. Die ersten Tage sind sehr betreuungsintensiv in der Ferkelaufzucht. Es reicht nicht, dass 2 – 3mal am Tag nach den Tieren gesehen wird. Wir versuchen sogar, dass die jungen Tiere in den ersten 2-3 Wochen nur von einer Person betreut werden. Die Ferkel müssen Neues erlernen und das können sie recht schnell. Es muss Ihnen aber intensiv und geduldig gezeigt werden.